Das Naturtalent

Als gebürtiger Landshuter entschied sich Helmut Steiger mit 14 Jahren ungewöhnlich spät fürs Eishockey. Dennoch wurde aus ihm einer der besten deutschen Stürmer aller Zeiten.

Das Naturtalent

Manchmal unterhält sich Michael Pohl mit Bekannten und Eishockey-Fans über die Zeit, in der er selbst höchstklassig spielte, in der Bundesliga und der DEL, in den 80er- und 90er-Jahren; der Rosenheimer absolvierte auch einige Länderspiele. Wenn das Gespräch darauf kommt, wer der beste deutsche Spieler in dieser Zeit war, überrascht Pohl seine Gegenüber. Er nennt nicht die Namen Erich Kühnhackl, Gerd Truntschka oder Ernst Höfner. Der Beste war aus seiner Sicht: Helmut Steiger.

HELMUT STEIGER
Geboren am 5. Januar 1959 in Landshut

Karrierestationen:
bis 1985: EV Landshut
1985 – 1994: Kölner EC
1994 – 1997: EV Landshut

• Viermal Deutscher Meister:
• 1983 (EV Landshut)
• 1985 – 1987 (Kölner EC)
• Bundesliga-All-Star-Team 1983, 1984 und 1987
• 152 Länderspiele
• Teilnahme an sechs A-Weltmeisterschaften
• Teilnahme an den Olympischen Winterspielen
• 1984 in Sarajevo und 1988 in Calgary

Pohl erinnert sich daran, wie er bei direkten Aufeinandertreffen auf dem Eis Steiger interessiert und, ja, sogar bewundernd beobachtete. Scheinbar unbeteiligt glitt Helmut Steiger übers Eis, kam dann urplötzlich in dem Moment ins Tempo, in dem es erforderlich war, und tauchte dort auf, wohin das Spiel sich verlagerte. „Helmut hatte einen brutalen Hockey-Sense“, so Pohl, der nach seiner Spielerkarriere Trainer wurde. Dazu kam die besondere Geschichte: Obwohl in der Eishockeystadt Landshut geboren und aufgewachsen, ging Steiger nicht den üblichen Weg über die Nachwuchsmannschaften des EVL von klein auf. Fürs Eishockey entschied sich Helmut Steiger erst mit 14: Sein Freund Günther Stauner spielte bei den Junioren des EVL und nahm ihn mit. Der Spätein-Steiger musste keinen Lernprozess durchlaufen, er verstand, was gespielt wurde. Mit 17 schoss er seine Tore in der ersten Mannschaft in der Bundesliga. Für Michael Pohl ist klar: „Heli war ein Naturtalent.“

Das Naturtalent spielte zunächst für seinen Heimatverein, so war das üblich. Das „Zunächst“ erstreckte sich über neun Jahre. Ab Helmut Steigers vierter Saison war Erich Kühnhackl wieder da, er wurde zum Angriffspartner des Stadtidols. Dritter Mann in der Reihe war Klaus Gotsch, ein Arbeiter, der die defensiven Aufgaben übernahm. „Erich und ich durften stürmen“, sagt Steiger im Rückblick. Er kam auf traumhafte Torquoten, wie sie heute in Deutschland in der höchsten Liga nicht mehr vorstellbar sind. Er wurde zwangsläufig Nationalspieler, erlebte 1982 seine erste von sechs Weltmeisterschaften. 

Den Klub zu wechseln, das war in den 80er-Jahren nicht so leicht. Natürlich kamen die Angebote aus den Großstädten im Westen. Aber damals hatte der Ausbildungsverein den Vorteil, für seine Spieler eine Entschädigung verlangen zu können. Erich Kühnhackl war in den 70er-Jahren zu den Kölner Haien gegangen, die hatten am Ende eines Transfernervenkriegs 600.000 D-Mark hingelegt, um den deutschen Topstar in den Privatflieger des KEV-Investors setzen zu dürfen. Für Helmut Steiger wurden 250.000 D-Mark fällig, auch ein Batzen Geld, und es hielt sich das Gerücht, dass auch ein Kölner Spieler mindestens eine Beteiligung an dem Neuen aus Landshut hielt: Udo Kießling. Steiger brachte nicht in Erfahrung, ob es stimmt, „gehört habe ich das“, sagte er mal. Und obwohl er Kießling zu „meinen zwei, drei Freunden“ rechnete, fragte er nicht nach.