Rasant gewachsen

Die DEL2 hat sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt. Umsatz, Infrastruktur, Zuschauerzahlen, Niveau auf dem Eis. Trotzdem schafft sie es nicht, regelmäßig einen Aufsteiger in die DEL zu schicken. Dieses Jahr nun soll es endlich wieder klappen.

Rasant gewachsen

Man kann es sich ja kaum vorstellen, aber seit Jahren hat kein Erstligist mehr bei Max Faber angeklopft. Dabei ist Faber ja nicht irgendwer, sondern einer, der schon mehr als 100 DEL-Spiele in der Statistik stehen hat. Der in den vergangenen sieben DEL2-Saisons rund einen Punkt pro Spiel machte. Der zweimal zum „Verteidiger des Jahres“ gekürt wurde und die Löwen Frankfurt 2022 als Kapitän zur Meisterschaft führte. Und dennoch muss er sagen: „Nein, es gab nie Angebote.“

Vielleicht hat er das bald aber gar nicht mehr nötig. Vielleicht klappt es dieses Jahr mit dem Team, für das er bereits spielt: den Kassel Huskies. Seit Sommer 2022 ist Faber in Nordhessen, bereits während der Playoffs mit den Frankfurtern hatte er in Kassel unterschrieben. Schwierige Zeiten waren das. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hatte gerade begonnen, „und Frankfurt hatte den russischen Hauptsponsor, es wusste keiner, wie es weitergeht“, erinnert sich Faber. „Dann kam das Angebot aus Kassel. Franz Fritzmeier (damals Manager bei den Löwen, Anm. d. R.) hat mir gesagt, ich solle wechseln. Für die Ehrlichkeit bin ich ihm heute noch dankbar.“

Mit dem Aufstieg wurde es aber natürlich nichts. Frankfurt ging hoch, Faber blieb unten. Deswegen „darf es gerne jetzt klappen“, sagt der 31-Jährige und hat noch viel vor: „Ich bin in einem Alter, in dem ich noch drei, vier Jahre DEL spielen kann.“

Eigentlich hätte es in den vergangenen beiden Jahren schon klappen sollen. Kassel galt jeweils als Topfavorit. Und in der Hauptrunde spielten die Huskies auch so. 2023 hatten sie am Ende aberwitzige 38 Punkte Vorsprung auf den Tabellenzweiten, 2024 immerhin noch sieben. Aber in den Playoffs scheiterten sie jedes Mal: einmal im Halbfinale gegen den EC Bad Nauheim, einmal im Finale gegen die Eisbären Regensburg. Im zweiten Jahr ging es regelrecht turbulent zu mit diversen Nachverpflichtungen von DEL-Spielern und gleich zwei Trainerwechseln: einer kurz vor den Playoffs, einer sogar während der Finalserie. Aber es half nichts mehr.

„Wir hatten unsere Höchstform leider nicht in den Playoffs“, sagt Faber. „In der Hauptrunde war es manchmal schon zu einfach, besonders vor zwei Jahren, als wir über 30 Punkte Vorsprung hatten. Aber als es in den Playoffs dann eng war, haben wir nicht die Ruhe bewahrt, weil wir die Erfahrung nicht hatten.“ Also wurden andere Meister. Ravensburg und Regensburg. Aber keiner von denen ging danach in die DEL, weil sie gar nicht aufstiegsberechtigt waren.


Das hat nicht wenige zweifeln lassen, ob es so weitergehen kann mit dem Auf- und Abstieg in Deutschlands höchsten Eishockeyligen. 2018 wurden sie nach rund zwei Jahrzehnten Diskussionen wieder eingeführt und von allen Beteiligten bejubelt. Aber es war eine Wiedereinführung mit Fußnote. Denn es geht ja nicht jeder DEL2-Meister automatisch hoch, man muss die wirtschaftlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen der DEL erfüllen. Das taten aber die wenigsten Zweitligisten, also gab es bislang kaum Austausch zwischen den Ligen. Lediglich Frankfurt und Krefeld wechselten die Plätze – sonst ist auch nach Jahren alles beim Alten.

Nun scheint aber endlich Bewegung in die Sache zu kommen. Diese Saison sind fünf Teams aufstiegsberechtigt: neben den Kassel Huskies auch die Krefeld Pinguine, die Dresdner Eislöwen, die Starbulls Rosenheim und der EV Landshut. Und vier davon stehen fast schon die ganze Saison oben. Besonders das Toptrio aus Dresden, Krefeld und Kassel wirkt so stark, dass es niemanden wundern würde, wenn eines dieser Teams am Ende den Pokal in Höhe halten darf. Die DEL2 erlebt gerade das spannendste Aufstiegsrennen ihrer Geschichte.


Max Faber freut sich darüber. Er habe „auch gar kein Problem damit“, dass seine Kasseler im Gegensatz zu den Vorjahren diesmal nicht vorneweg marschieren. „Natürlich würden wir gern selbst auf dem Platz an der Sonne stehen. Aber ich finde es schön, dass Dresden so stark ist, dass Krefeld so stark ist, Rosenheim auch, dass eben vier Aufstiegskandidaten oben stehen. Wieso sollten die Huskies immer oben sein? Wenn wir am Ende aufsteigen, beschwert sich ja keiner über einen dritten Hauptrundenplatz.“

Als Favorit sieht er sein Team dieses Jahr aber nicht. Das seien andere, die Krefelder und vor allem die Dresdener. Was die in Person von Sportdirektor Matthias Roos aber gleich zurückweisen. Trotz der zwischenzeitlich mehr als 15 Punkte Vorsprung. „Wir wollen die Meisterschaft gewinnen, wir wollen aufsteigen und das Abenteuer DEL angehen“, sagt Roos, „aber Kassel ist weiter der Topfavorit.“

Thomas Popiesch kann über solche Sätze nur schmunzeln. „Dass da jeder so sein Spielchen treibt, ist ja klar“, sagt der Trainer der Krefeld Pinguine – um das Spielchen dann aber mitzuspielen: „Kassel und Dresden sind in der Breite am stärksten besetzt.“

Popiesch ist der neue prominente Name in der Liga. Nach zuvor acht Jahren im Bremerhaven wechselte er im Sommer an den Niederrhein. Ausgerechnet nach der Saison, in der das Team von der Nordseeküste ganz oben angekommen war. Hauptrunden-Meisterschaft, Playoff-Finale, Champions League. Er selbst wurde zweimal „DEL-Trainer des Jahres“. War der Gang in die zweite Liga da kein persönlicher Rückschritt? Popiesch sieht das nicht so. „Das eine ist: Jeder will in der höchsten Spielklasse spielen oder trainieren. Das andere ist: Was bereitet einem Spaß, womit kann man sich identifizieren?“ Und das könne er eben in Krefeld, weil dort etwas Neues entstehen soll.

„Es hätte genauso gut ein Verein in der DEL sein können, der ein bisschen aufgebaut werden will“, sagt der 59-Jährige. Aber er entschied sich eben für die zweite Liga, in der er bereits von 2010 bis 2016 aktiv war. Wobei die heutige DEL2 damit kaum zu vergleichen sei. „Die Liga hat sich enorm entwickelt, sie hat sich total verändert in der Struktur, ist insgesamt professioneller geworden. Viele neue Stadien, die Organisationen sind sehr viel weiter, das Eishockey ist auf einem ganz anderen Niveau“, sagt Popiesch. „Wenn man allein die Etats vergleicht mit denen von vor zehn, zwölf Jahren, das hat sich enorm verändert, dann kann man natürlich bessere Spieler holen. Jeder Verein hat heute einen Torwarttrainer, einen Athletiktrainer. Das war früher die Ausnahme. Die Angleichung an die DEL ist fortgeschritten, der Unterschied war vor zehn Jahren viel größer.“

Auch Huskies-Verteidiger Max Faber sieht das so: „Die Liga wird immer stärker, die Teams kriegen immer stärkere Spieler und arbeiten viel professioneller. Als ich 2013 angefangen habe, hatten manche Teams nur einen Trainer. Jetzt sind es immer zwei, drei und ein fester Physio. Und natürlich die Hallen. Wenn man sieht, dass Krefeld dazugekommen ist, Kassel mit einer frisch sanierten Halle, die Hallen in Landshut und Kaufbeuren sind neu, und auch die in Weißwasser.“

„Wenn wir am Ende aufsteigen, beschwert sich keiner über einen dritten Hauptrundenplatz.“
Max Faber, Kassel Huskies

Die Halle in Dresden kann sich ebenfalls sehen lassen. Rund 30 Millionen Euro kostete sie, 2007 wurde sie eröffnet. Und diese Saison haben die Eislöwen auch den passenden Kader. „Die letzten beiden Jahre sind die Löhne gestiegen, die Klubs haben deutlich mehr ausgegeben“, sagt Eislöwen-Sportdirektor Matthias Roos. Und meint damit auch seinen eigenen. Nachdem die Sachsen vergangene Saison nur auf Rang 13 landeten, hätten die Gesellschafter den Etat um 20 Prozent erhöht. 15 Spieler mussten gehen, rund ebenso viele kamen. Nun scheinen die Eislöwen den passenden Kader gefunden zu haben, um oben anzuklopfen. Im Tor steht immerhin ein Silbermedaillengewinner wie Danny aus den Birken, vor ihm wirbeln ehemalige DEL-Spieler wie Dane Fox, Drew LeBlanc oder Travis Turnbull, nicht zu vergessen die drei eingedeutschten Schweden Simon Karlsson, David Suvanto und David Rundqvist. Oder Andrew Yogan, der überragende Spieler der Vorsaison, der Regensburg mit mehr als 100 Scorerpunkten zum Titel führte. Dass die Dresdner jetzt so weit oben stehen, kommt nicht von ungefähr.

„Es ist eine Tendenz zu erkennen, dass die Klubs, die über mehr finanzielle Mittel verfügen, sich absetzen werden“, sagt Roos. „Die Schere geht weiter auseinander, und das nicht nur dieses Jahr, sondern auch die nächsten Jahre.“ Im Vorbeigehen gewinne man aber natürlich nichts, jeden Spieltag gebe es „packende Spiele, aber so eng, wie es in den letzten Jahren war, wird es nicht mehr sein.“