Der Sanftmütige
Unter Eishockeytorhütern gibt es sowohl die Hitzköpfe, die einen aggressiven Spielstil pflegen und auch vor Fights nicht zurückschrecken, als auch die Stoiker, die sich scheinbar durch nichts aus der Ruhe bringen lassen. Und es gab Karl Friesen.

Der Schnurrbart, wie er in den 1980ern noch getragen wurde – weg. Das Haar nicht mehr pechschwarz, sondern von grauen Feldern durchsetzt. Doch das Gesicht hatte immer noch die hageren Züge des Asketen, und als dann noch die vertraute sonore Stimme anhob – es war wirklich Karl Friesen, der neulich erst die Zuschauer im Rosenheimer Eisstadion über Video grüßte. Anlass der Botschaft: Es wurde das Vierzigjährige der deutschen Meisterschaft von 1985 gefeiert, einige ehemalige Recken wie Ernst Höfner, Franz Reindl, Markus Berwanger und Manfred Ahne waren in der Halle. Und Karl Friesen, der große Rückhalt von damals, erinnerte sich in seiner kanadischen Heimat an die große Zeit in Deutschland. Er ist mittlerweile im Ruhestand und saß im aufgeräumten Wohnzimmer vor einem Gemälde aus Rosenheim: er, der Torhüter, im Marox-Trikot.
Karl Friesen, heute 66, war der ungewöhnlichste Eishockeyspieler, den Deutschland jemals erlebt hatte. Im Brennpunkt eines Sports, der sich über seinen aggressiven Ansatz und über Härte definiert, agierte er mit dem Sanftmut, den ihn sein Glauben lehrte. Er gehörte der Freikirche der Mennoniten an, schon als Neunjähriger in Winnipeg hatte er sein Erweckungserlebnis gehabt, als er den Pastor Billy Graham hörte. „Ich bin nach vorne gegangen und habe mich bekannt.“ Für den heranwachsenden Karl war klar, dass er seine religiöse Einstellung auch im Beruf würde leben wollen.